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5 Fragen an Stefan Schnorr

Herr Schnorr, das Silicon Valley steht prototypisch für ein digitales Ökosystem. Was können wir in Deutschland vom Silicon Valley lernen? Ist ein Vergleich überhaupt angemessen?

Das Silicon Valley zeigt ganz klar, wie wichtig die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft für eine erfolgreiche, digitale Wirtschaft ist. Das ganze gebündelt in einer Metropolregion liefert spannendes An-schauungsmaterial. Um in Deutschland eine starke, digitale Wirtschaft entstehen zu lassen, muss man auf die bestehenden Strukturen schauen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten etabliert haben. In ganz Deutschland finden sich erfolgreiche Mittelständler, wissenschaftliche Einrichtungen und Startups, die sich in ganz unterschiedlichen Branchen bewegen - Deutschlands föderale Struktur sorgt dafür.

So haben sich vielerorts bereits einzelne Ökosysteme gebildet, die in ihren Bereichen exzellent und er-folgreich sind. Wir haben also viele kleine Valleys, statt eines großen. Die Aufgabe besteht jetzt darin, die Kräfte dieser Standorte zu bündeln und zu vernetzen. Das ist das Ziel der Digital Hub Initiative.

Deutschland verzeichnete 2017 mit 2,6 Milliarden Dollar über 30 Prozent mehr Venture Capital als noch 2016. Im internationalen Vergleich hängt Deutschland aber immer noch zurück. Wie kann Deutschland für Investoren interessanter werden?

Wir sehen, dass es auch in Deutschland immer größere Investments gibt. Ein Beispiel war im vorigen Jahr das Flugzeugstartup Lilium aus München, das ein Investment von 90 Millionen US-Dollar von inter-nationalen Investoren erhalten hat – ein echter Senkrechtstarter. Delivery Hero und Auto1 haben jeweils mehr als 300 Millionen Euro eingesammelt.

Die Beispiele sind da und sie zeigen, dass Deutschland gute Ideen hervorbringt und bereits attraktiv ist. Wichtig sind allen voran die Qualität der Ideen und die Unterstützung von Gründerinnen und Gründern in der Seed-Phase. Hier müssen Investitionen ermöglicht werden.

Und was kann die Politik für die Startup-Szene tun?

Es gibt viele Handlungsfelder für die Politik in diesem Bereich, ich möchte jedoch an dieser Stelle die Vernetzung herausstellen. Startups brauchen lebendige Netzwerke, um sich mit Experten aus der For-schung und aus der Wirtschaft auszutauschen, exzellent ausgebildete Talente, zum Beispiel Software-Entwickler, zu finden und so wichtiges Wissen und Partner für ihre Geschäftsmodelle gewinnen zu kön-nen. Genau an diesen Vernetzungsgedanken setzt die Digital Hub Initiative an. Wenn man nach Tel Aviv blickt, so sind Universitäten oft Gesellschafter erfolgreicher Startups und von Tag Eins am Aufbau mitbe-teiligt. Das Netz zwischen Wissenschaft und Gründerszene ist dort engmaschig. Das wird insbesondere dann wichtig, wenn sich die Geschäftsmodelle in forschungsintensiven und hochspezifizierten Branchen bewegen, wie beispielsweise Biotechnologie oder Künstliche Intelligenz. Hier können wir als Politik Anrei-ze setzen, um diesen Austausch und die Zusammenarbeit zu fördern.

In den USA läuft gerade der Wettstreit über den zweiten Standort der Amazon-Konzernzentrale. Städte loben Incentives dafür aus, damit sich Unternehmen in ihnen niederlassen. Welche Mög-lichkeiten haben Standorte in Deutschland, attraktiv für die Ansiedlung von Digitalunternehmen zu sein?

Deutschland verfügt über einen äußerst starken Mittelstand mit zahlreichen Weltmarktführern. Wir haben exzellente Forschungsinstitute, Universitäten und Hochschulen, die Zugang zu Expertenwissen liefern. Zudem haben wir eine starke Startup-Szene mit jungen, digitalen Talenten - dies alles sind äußert attrak-tive Faktoren für ein Unternehmen, sich in Deutschland niederzulassen oder auch um Partnerschaften in Deutschland einzugehen. Erst im vergangenen Jahr hat Facebook verkündet, mit dem Digital Hub Mün-chen im Bereich Mobility zusammenzuarbeiten. Solche Kooperationen sind starke Signale für die Attrakti-vität des Standorts Deutschland und zeigen, dass wir auch in unseren Kernindustrien an zukunftsweisen-den Innovationen arbeiten.

Das Wort Unicorn ist oftmals ein Gradmesser für den digitalen Erfolg eines Ökosystems. Wie viele Unicorns wird Deutschland in den nächsten Jahren hervorbringen?

In der Öffentlichkeit wird der Erfolg von Startups oftmals lediglich an ihrer Unternehmensbewertung fest-gemacht. Das ist aber ein Indikator, der nicht für jedes Geschäftsmodell aussagekräftig ist. Viele Startups sind ab einem gewissen Zeitpunkt gar nicht mehr auf große Investments angewiesen, die ihre Bewertung in derartige Höhen treiben würde. Der Erfolg der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft wird eher darin bestehen, ob wir unsere Marktführerschaft in vielen Branchen, getragen durch unseren starken Mittelstand, auch in Zukunft erhalten können. Der Schlüssel dazu sind marktfähige Innovationen, die dem digitalen Wandel in den einzelnen Branchen Rechnung tragen und ihn auch selbst mitgestalten. Unterneh-mensbewertungen sind dabei weniger entscheidend.

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