Erfolgsfaktoren für Hubs: Im Interview mit Anna Kessler vom InsurTech Hub Köln

Wie bringt man die Digitalisierung in Deutschland voran? Die Digital Hub Initiative liefert seit mehr als fünf Jahren Antworten, indem sie Innovationen und jene, die sie möglich machen, ganzheitlich fördert. Das geschieht vor allem in den 12 Hubs der Initiative. Doch was genau macht so ein Hub eigentlich – und was zeichnet ihn aus? Darüber haben wir im Interview mit Anna Kessler gesprochen. Sie ist in ihrer Rolle als Geschäftsführerin des InsurLab Germany die Hub Managerin im InsurTech Hub Köln.

Über ganz Deutschland verteilt bilden die 12 Digital Hubs ein wirtschaftliches Ökosystem und geben Innovatorinnen und Innovatoren eine Heimat. Müsste man die Arbeit der Hubs in einem Wort zusammenfassen, dann wäre es: Vernetzung. Zwischen Start-ups und Mittelstand in der Region, zwischen Gründenden und Investierenden, zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Diese Vernetzung findet je nach Branche in Form von Matchmaking, Co-Working, Netzwerk-Events und Programmen statt.

Die Arbeit der Digital Hubs umfasst jedoch weitaus mehr. In vielen Regionen bilden sie den Ausgangspunkt erfolgreicher Neugründungen. Sie unterstützen junge Start-ups und Unternehmen mit Coachings, Workshops, individuellen Beratungsangeboten und – ganz praktisch – mit Co-Working-Flächen oder technischen Ressourcen. Außerdem leisten die Hubs wichtige Hilfe bei der Suche nach passenden Finanzierungsmöglichkeiten. Kurz: Wer eine innovative Geschäftsidee hat, lernt mithilfe der Digital Hubs, sie erfolgreich umzusetzen.

Für Anna Kessler, Hub Managerin im InsurLab Germany, gehört die erfolgreiche Vernetzungsarbeit zum Tagesgeschäft. Ihr Hub leistet seit Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Digitalisierung eines bislang eher traditionellen Sektors – der Versicherungsbranche. Köln ist schon lange einer der wichtigsten Standorte dieser Branche. Im Hub treffen Gründerinnen und Gründer aus dem Bereich InsurTech auf traditionsreiche Versicherungsunternehmen. Dabei wird nicht nur an der Erweiterung klassischer Produkte gearbeitet, sondern das Thema Versicherung neu gedacht. Was macht die erfolgreiche Arbeit des Hubs aus? Darüber haben wir Anna Kessler gesprochen.

Hallo Anna! Du bist Geschäftsführerin des InsurLab Germany und damit auch vom InsurTech Hub Köln. Seit wann bist du Teil des Hubs und was genau machst du dort?

Nach rund neun Jahren in verschiedenen Positionen bei der Deutschen Bank bin ich vor drei Jahren Teil des InsurLab Germany geworden und verantworte dort seit Mai 2023 die operative und strategische Weiterentwicklung unserer Brancheninitiative in der Rolle der Geschäftsführerin. In enger Zusammenarbeit mit meinen Kolleg:innen, unseren Mitgliedsunternehmen, Partnern und weiteren Stakeholdern stellen wir uns aktuellen Trends und erörtern mithilfe verschiedener interaktiver Formate, wie die Versicherungsbranche von diesen profitieren und der Weg dorthin gelingen kann.

Der InsurTech Hub gilt heute als eine der wichtigsten Branchenplattformen in Deutschland. Betrieben wird der Hub vom InsurLab Germany. Wie ist der Hub entstanden und welches Ziel hatte man bei der Gründung?

Das InsurLab Germany wurde im Jahr 2017 als branchenübergreifendes Innovationsnetzwerk gegründet, das Start-ups, etablierte Versicherungsunternehmen, Wissenschaftler und andere Akteure vereint, um Ideen, Forschungsergebnisse und Technologien zu teilen und gemeinsam an zukunftsweisenden Versicherungslösungen zu arbeiten. Unser Hauptziel ist somit die Digitalisierung und Transformation der Versicherungsbranche voranzutreiben, den Einsatz neuer Technologien zu fördern, ebenso wie den Austausch von Wissen und Erfahrungen zu ermöglichen und Start-ups dabei zu unterstützen, ihre innovativen Konzepte und Produkte erfolgreich am Markt zu etablieren.

Warum brauchen traditionelle und bereits etablierte Unternehmen wie Versicherer die Innovationskraft von Start-ups?

Start-ups sind zentrale Treiber und gleichermaßen Impulsgeber für Innovation und Transformation. Sie setzen oftmals neueste Technologien ein, entwickeln ihre Angebote und Services nah am Kunden und beweisen dabei eine hohe Anpassungsfähigkeit und pragmatische Lösungsorientierung. Versicherer können durch die Zusammenarbeit mit Start-ups einerseits ihre Kernkompetenzen ausspielen, agiler werden, neue Kundengruppen und Geschäftsbereiche erschließen und vor allem viel lernen.

Gibt es dafür ein aktuelles Beispiel aus eurem Hub?

In unserem Ökosystem gibt es selbstverständlich bereits zahlreiche Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Startups. Erst kürzlich haben wir im Rahmen der insureNXT den insureNXT Innovators Award 2023 in der Kategorie „Business Transformation“ an Fusionbase, die Gothaer und SAS verliehen. Die Unternehmen hatten sich im Rahmen unseres InsurLab Germany Kollaborationsprogramms kennen gelernt und dort an dem gemeinsamen Use Case zur automatischen Erfassung von Tarifmerkmalen in der Gewerbeversicherung gearbeitet. Mittelfristig soll die entstandene Lösung nun in den bestehenden Underwriting Prozess für Gewerbe bei der Gothaer Versicherung integriert werden. Darüber hinaus gehen Fusionbase und SAS eine Technologie- und Vertriebspartnerschaft ein, um Finanzdienstleister bei der Umsetzung datengetriebener Geschäftsmodelle zu unterstützen. Insofern ein ideales Beispiel, wie auch etablierte Unternehmen von der Partnerschaft mit einem innovativen Jungunternehmen profitieren können.

Was braucht es, um einen Digital Hub erfolgreich zu etablieren? Welche Kernkompetenzen sollten gegeben sein?

Als Innovationshub müssen wir uns auch oder eher erst recht ständig hinterfragen und weiterentwickeln. Auch hier ist das zentrale Element zur Richtungsbestimmung die Nähe zu unseren Mitgliedsunternehmen und deren Bedürfnissen. Einerseits müssen wir sie dabei unterstützen, auf aktuelle Herausforderungen einzugehen und mögliche Handlungsoptionen und Lösungswege zur Evaluierung vorschlagen. Andererseits ist auch der Blick in die Zukunft mindestens genauso wichtig, um am Markt relevant zu bleiben.

Die Digital Hubs zeichnen sich unter anderem durch starke Partnernetzwerke aus. Worauf sollten Hubs aus deiner Sicht bei der Auswahl von Partnern achten?

Hohes Engagement und die Initiative zur aktiven inhaltlichen Mitwirkung an den aktuellen Schwerpunktthemen der Branche sind für uns elementar, ebenso wie die Offenheit zur unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Darüber hinaus versuchen wir stets, möglichst unterschiedliche Perspektiven und komplementäre Fähigkeiten bei der Betrachtung aktueller Fokusthemen zu berücksichtigen, um kreatives Denken und den Austausch innovativer Ideen bestmöglich zu fördern.

Bei der Erweiterung von Netzwerken spielt Sichtbarkeit eine große Rolle. Wie werden potenzielle Partner und Unternehmen auf euch aufmerksam?

Als Teil der Digital Hub Initiative profitieren wir von einem starken Netzwerk, das uns als Hub aber auch unseren Mitgliedern den Zugang zu zahlreichen relevanten Veranstaltungen und Messen im In- und Ausland ermöglicht, auf denen wir uns inhaltlich präsentieren dürfen. Gleichzeitig sind wir selbstverständlich auch selbst sehr aktiv – sei es in den Sozialen Medien, durch eigene Veröffentlichungen und Formate, inhaltliche Vorträge bei unseren Mitgliedsunternehmen oder branchenrelevanten Veranstaltungen sowie enge Beziehungen zu vergleichbaren Organisationen und Netzwerken. Auch die insureNXT, die wir gemeinschaftlich mit der Koelnmesse und unserem Knowledge Partner Bain & Company ausrichten, verhilft uns zu großer Sichtbarkeit in der Branche, ebenso wie unsere InsurLab Academy – ein zertifiziertes Weiterbildungsangebot für Führungskräfte und Potenzialträger:innen der Versicherungsbranche, das auch Nicht-Mitgliedern zur Nutzung offen steht.

Welche Kriterien sollten Start-ups erfüllen, um Teil des Hubs zu werden?

Wenn wir Start-ups kennenlernen, achten wir vor allem auf die Neuartigkeit ihrer Lösungen, ihren USP gegenüber bestehenden Wettbewerbern im Markt sowie die Expertise und persönliche Zusammensetzung des Teams. Damit die Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedsunternehmen auch eine Aussicht auf Erfolg hat, ist auch die Konformität zu rechtlichen Rahmenbedingungen der strikt regulierten Finanzbranche essenziell sowie erste Erfahrungen beim Durchlaufen von Einkaufsprozessen in Konzernen von Vorteil. Während die meisten unserer Versicherungsunternehmen sich eher auf reifere Start-ups zur Zusammenarbeit fokussieren, wählen einige jedoch auch bewusst jüngere Unternehmen aus, um frühzeitig in den intensiveren Austausch zu kommen und Lösungen auch gemeinsam weiterzuentwickeln.

Die Wirkungsfähigkeit der Digital Hubs wird vor allem durch ihre Mitarbeiter möglich. Was zeichnet für dich ein funktionierendes Team aus?

Ich habe das große Glück, Teil eines stark intrinsisch motivierten, sehr kompetenten Teams zu sein, das stetig nach Weiterentwicklung strebt. Wir alle brennen für unsere gemeinsame Mission und bringen uns mit unseren individuellen Stärken und Erfahrungen optimal ein bzw. ergänzen uns gegenseitig. Vergleichsweise sind wir zwar ein kleines Team, erreichen aber gerade durch dieses hohe Maß an Eigeninitiative, unsere pragmatischen Vorgehensweisen sowie kurze Entscheidungswege eine unheimlich starke Schlagkraft.

Zu guter Letzt: Wie könnte man den Aufbau von Hubs in Zukunft noch mehr unterstützen?

Wir sind sehr froh, als InsurLab Germany Teil einer bundesweiten Initiative zu sein, die Digitalisierung fördert und dabei eine wichtige Brücke zwischen Politik und Privatwirtschaft schlägt und diese zentral verankert. Gleichwohl lässt allein der auf Deutschland gerichtete Blick eine Vielzahl an teils unabhängig agierenden Hubs und Initiativen erkennen, die es selbst für Branchenkenner erschwert, die passenden lokalen und branchenspezifischen Anknüpfungspunkte zu finden. Demzufolge könnte eine ganzheitliche Strategie zur Harmonisierung bestehender Strukturen auf Bund- und Länderebene für die Zukunft sehr hilfreich sein, ebenso wie im nächsten Schritt verstärkt die Brücken zu vergleichbaren Initiativen im Ausland zu schlagen. Die Start-up-Strategie der Bundesregierung zur Verbesserung der Gründungsbedingungen für Start-ups und Aufstockung von Fördermitteln ist parallel ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Vergleichbare Programme gibt es international allerdings schon länger, weshalb wir hierzulande noch deutlich nachlegen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch, Anna!

Links:

https://www.insurenxt.com/de/

https://insurlab-germany.com/de/fusionbase-sas-gothaer-automatisieren-erfassung-von-tarifmerkmalen-in-der-gewerbeversicherung/

https://insurlab-germany.com/de/leistungsangebot/insurlab-academy/